Verrat an der eigenen Klasse?
Von Aufsteigerinnen, der neuen Klassenliteratur und der Bohème.
DOI:
https://doi.org/10.11576/ao-7122Schlagworte:
Autosoziobiographie, Literatursoziologie, Bohème, soziale KlasseAbstract
Die Klassenfrage hat Konjunktur, und dies sowohl in der Soziologie wie auch in der Literatur. Dabei richten beide – Soziologen und Literaten – den Blick spätestens mit der hybriden Form der Sozioautobiographie auch auf die eigene Person. Der erstaunliche ›turn‹, bei dem das soziale Thema der Klasse mit individueller Selbstreflexion gekreuzt wird, kommt ursprünglich aus Frankreich, fand jedoch gerade in Deutschland schnell Nachahmer. Schaut man auf die Schriften der deutschen Epigonen eines Didier Eribon, so fällt auf, dass, während in Frankreich zumeist der soziale Aufstieg erzählt und sozialkritische Rückblenden auf die eigene Herkunft eingearbeitet werden, in den deutschsprachigen Romanen mehrheitlich eine Positionierung vollzogen wird, die Anleihen bei der historischen Bohème nimmt und sich in der Pose des prekären Künstlers gefällt. Der Beitrag geht dieser Tendenz nach und entfaltet die These, dass die Autorinnen und Autoren einschlägiger Sozioautobiographien entgegen ihrer Selbstwahrnehmung zu den Aufsteigern in die neue, die Ästhetisierungsgesellschaft prägende Mittelklasse zu zählen sind. Argumentiert wird, dass sich die Klassenübergänger zu einer antibürgerlichen Subkultur rechnen, die den kulturellen Wertewandel von Disziplin, Pflicht und Erhöhung des Lebensstandards hin zu Kreativität, Flexibilität, Selbstverwirklichung und Lebensqualität zwar einleitete, seit den 1960er Jahren jedoch von ihrer eigenen Erfolgs- und Auftstiegsdynamik überholt wurde und sich gegenwärtig als kreative Klasse in der Mitte der gehobenen bürgerlichen Gesellschaft wiederfindet.
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