Materielle und spirituelle Verflechtungen mit Keramik
Ein Blick auf den Fall zeitgenössischer westlicher Kunsthandwerkender in Japan
DOI:
https://doi.org/10.11576/ao-5807Schlagworte:
Herstellung, Ästhetik, Mobilität und Migration, Ost und West, JapanAbstract
Westliche Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle haben in Ostasien häufig nach Inspiration und Ideen gesucht, die über die normativen Muster ihrer Gesellschaft hinausgehen. Dabei fühlte sich diese gesellschaftliche Gruppe vor allen Dingen von Vorstellungen über Japan angezogen, die auf handwerklichen sowie spirituellen Ideen basierten, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts Verbreitung fanden. In diesem Aufsatz wird der Fall von westlichen Keramikherstellenden untersucht, die zwischen den 1960er- und 2010er-Jahren nach Japan gekommen sind, um sich im Land über die heimische Keramiktradition fortzubilden und diese auch auszuüben. Auf der Grundlage von Interviews, die die Autorin in Japan mit vierzig Personen aus dem entsprechenden Bereich führte, wird die Anziehungskraft der japanischen Keramik sowie ihre Verstrickung mit der Philosophie des Handwerks analysiert. Nachdem die Autorin die umstrittene Beziehung zwischen japanischer Keramik und den spirituellen sowie philosophischen Traditionen des Landes nachgezeichnet hat, wird auf die Schilderungen der Keramikherstellenden eingegangen. Dabei liegt der Fokus auf der Auseinandersetzung der Befragten mit den von Japan geförderten Werten und Prozessen der Keramikherstellung, insbesondere in ihrer körperlichen, materiellen und sensorischen Dimension. Die Analyse der Autorin basiert auf der Grundlage neuerer Theorien über Anfertigung und Herstellung, die östliche philosophische Bezugsrahmen und eine darauf beruhende bestimmte Sichtweise der Ästhetik einbeziehen. Diese Ästhetik geht über das moderne westlich-konventionelle Verständnis von Kunst und Schönheit hinaus, weshalb die Autorin argumentiert, dass die in Japan entstandenen Herstellungsprozesse von Keramik und die spirituellen Philosophien den Herstellenden verschiedene Möglichkeiten bieten, vielfältige soziale Verbindungen mit Materialien, Objekten, Geschichten, Menschen, Gemeinschaften und Umgebungen zu artikulieren und zu erforschen. Auf diese Weise können die vielen Ebenen der relationalen Auseinandersetzung aufzeigt werden, die in der Praxis der Herstellung mitschwingen. Schließlich argumentiert die Autorin, dass die ausgewanderten Keramikherstellenden durch ihre kosmopolitischen Orientierungen, ökologischen Bestrebungen und der Suche nach einem erfüllten Leben von der Philosophie der japanischen Keramik angezogen wurden. Indem diese gesellschaftliche Gruppe den von Japan geförderten materiellen kulturellen Praktiken neue Bedeutungen verleiht, veranschaulichen die Verstrickungen der Herstellenden mit japanischer Keramik den fließenden Charakter von Objekten und ihrer Macht, Identitäten jenseits künstlich definierter Grenzen zu formen, die so orientalistische und kulturnationalistische Diskurse untergraben.
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